Unterhalten sich Handbiker untereinander, wird früher oder später über das Thema Radsturz gefachsimpelt.

Auch ich habe damit meine Erfahrungen gemacht und mir eine Meinung zurecht gezimmert.
Das Thema Radsturz kommt vom Rollstuhl, besonders vom Rennrollstuhl oder ganz allgemein vom Sportrollstuhl.

Ein Rollstuhl mit Radsturz ist wendiger, beweglicher und steht deutlich stabiler auf dem Boden. Extrembeispiele sind: Tennis-, Rugby- und Basketballrollstühle. Dort hat die Wendigkeit oberste Priorität. Beim Rennrollstuhl bringt der Radsturz eine Anpassung an den anatomisch optimalen Ablauf. Die Räder müssen oben sehr nahe am Körper entlang laufen. Angetrieben wird im unteren Drittel. Wären die Räder ohne Radsturz angebracht, müsste der Fahrer von aussen nach innen antreiben und der Greifring wäre im Weg. Deshalb stellt man die Räder schräg.

Als die ersten Handbikes gebaut wurden, entsprach diese Form der Vorstellung eines sportlichen Rollstuhles. Im Umkehrschluss nahm man Rollstühle ohne Radsturz als Spital- und Altersheimgeräte war. Es wurde suggeriert, dass Radsturz mit Dynamik gleichzusetzen ist.

Ein Handbike ist ein Dreirad mit völlig anderen Voraussetzungen. Am Handbike kann man beliebig viel Radsturz anbringen, es wird dadurch nicht wendiger. Die anatomischen Verpflichtungen vom Rennrollstuhl fallen weg.

Die Gründe gegen Radsturz sind wichtiger als Optik. Ein Reifen welcher mit 0° Radsturz auf dem Boden steht, rollt deutlich besser ab, weil weniger Reibung entsteht.
Reifen sind so konstruiert, dass das Gewicht genau zentriert auf den Reifen wirkt, was besonders deutlich bei Mountainbike-Reifen zu beobachten ist. MTB-Reifen an Fahrrädern von Fussgängern, müssen bei Geradeausfahrt leicht abrollen. In der Kurve hingegen ist Bodenhaftung gefragt. MTB-Reifen weisen seitlich oft grobes und scharfkantiges Profil auf, um in der Kurve mehr Sicherheit zu bieten. Mit Radsturz verhält sich der Reifen so, als würde man andauernd Kurven fahren.
Das Thema wird dadurch verschärft, dass es beinahe unmöglich ist, die Spur bei einem Handbike mit Radsturz optimal einzustellen. Bereits das Gewicht des Fahrers, ein unebener Untergrund oder veränderter Luftdruck, wirken sich negativ auf die optimale Spur-Einstellung aus.

Auch dem Argument des seitlichen Umkippens kann ich mich nicht anschliessen. Um das zu verhindern, ist es wichtig, wie weit die Räder am Boden auseinander stehen, nicht wie viel Sturz die Räder aufweisen. Geht man davon aus, dass mit der selben Achslänge mit 0° gefahren wird, wird die Auflage am Boden schmaler und das Handbike kippiger. Wer 0° fährt braucht eine breitere Achse. Das Handbike muss hinten breiter gebaut werden. So „musste“ für mich auch Praschberger aus seiner Norm heraus und mir den Hinterbau breiter bauen.

Dem oft gehörten letzten Argument: „0° sieht doof aus“ kann ich Eines entgegenhalten: „Ja klar, aber es läuft geil :-)“
In den letzten Jahren hat auch in der Rennszene 0° Einzug gehalten. Rennfahrer scheren sich genausso wenig um Optik. Das Teil muss laufen. So ist die Akzeptanz von 0° Radsturz gestiegen.